„Biophilie“ kommt aus dem Griechischen „bio(s)“ (Leben) und „philia” (Liebe) und bedeutet Liebe zum Leben bzw. zum Lebendigen. In den 1980er Jahren hat der US-amerikanische Biologe E.O. Wilson diesen Begriff geprägt und weltweit verbreitet. Ganz einfach, indem er auf die bedeutende Wirkung der Natur für das Wohlbefinden der Menschen hingewiesen hat. Unter dem Begriff „biophiles Design“ haben es sich Designer aus aller Welt zur Aufgabe gemacht, Lebensräume zu schaffen, die den Menschen im Einklang mit der Natur beim Wohnen und Arbeiten zu unterstützen.
Sobald ich jemanden kurz erzählt habe, dass biophlic Design bedeutet die Natur ins Haus zu holen, geht das Gedankenkarussell los. Die meisten denken, man bräuchte einen grünen Daumen, da der ganze Raum vollgestellt ist mit Pflanzen. Oder dass das Haus komplett mit Holzdielen vertäfelt sein muss. Manchen befürchten, dass sie ihren minimalistischen Lebensstil aufgeben müssen oder von jetzt an alles Grün sein muss. Aber die Natur hat noch mehr Farben zu bieten, als nur Grün. Auch haben noch grafische Kunst oder phantasievolle Bilder Platz in einer biophilen Einrichtung.
Die Natur ist einfach gigantisch und so atemberaubend, wenn man sich die Zeit nimmt ihr bei allem zu zu sehen. Sie kann sich selbst heilen, unsere Luft brauchbar machen und sich den Gegebenheiten ( bis zu einem bestimmten Punkt) anpassen. Sie ist der Inbegriff von Leben und Tod und dem somit einhergehendem Kreislauf des Lebens. Die Natur gibt und nimmt, damit daraus wieder etwas Neues, Wunderbares entstehen kann.
In Studien konnte nachgewiesen werden, dass sich beim Aufenthalt in der Natur, die natürlichen Abwehrstoffe gegen Viren und Krebszellen im Blut erhöhte. Wer sich regelmäßig in der Natur aufhält, kann sogar bei Depressionen, Schlafstörungen und neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz gegenwirken. So geht es aus mehr als 50 Studien hervor.
Schätzungen zufolge verbringen wir Menschen ca. 90% unserer Zeit in geschlossenen Räumen. Dies kann sich negativ auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit auswirken, was wiederum unsere Produktivität und Lebensfreude beeinträchtigt. Wir sind weniger belastbar, weniger Leistungsfähig und auch auf sozialer Ebene können wir langsam immer mehr Schaden bekommen. Daher spielt die Gestaltung unserer Lebensräume sowohl auf der Arbeit als auch Zuhause eine wichtige Rolle.
Schon geringe Veränderungen zur Einbindung von Natur in den Lebensraum können sich positiv auf unsere Emotionen und unserer Leistungsfähigkeit auswirken.
Gerade am Arbeitsplatz wollen wir motiviert und produktiv sein. Wir Menschen lieben das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Klingt es verrückt zu behaupten, dass unser Arbeitsumfeld Einfluss auf unsere Krankheitstage und Produktivität hat? Krankheitsfälle und Arbeitsausfälle sind sehr teuer für den Arbeitgeber. Studien zeigen, dass in UK 35% aller Krankheitsfälle durch arbeitsbedingten Stressbelastungen ausgelöst werden. Und was hilft uns dabei unseren Stress wieder abzubauen? Richtig, die Natur.
In Japan ist das Waldbaden schon ein Teil der natürlichen Gesundheitsvorsorge. Schon ein 15-minütiger Spazierengang im Wald reduziert das Stress-Empfinden. Es vermindert die Stresshormone im Blut und lässt den Blutdruck und die Herzfrequenz senken. Ein Spaziergang in der Innenstadt kann diese Effekte nicht erzielen.
So besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen einem biophil eingerichteten Arbeitsplatz und mehr Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden der Arbeitnehmer. Schon die kleinsten Veränderungen, die Natur im Arbeitsumfeld zu integrieren, können große Auswirkungen auf das Empfinden der Mitarbeiter haben. Sie gehen lieber zur Arbeit, sind produktiver und haben kreativere Ideen. Und wichtig, der arbeitsbedingte Stress lässt nach.
Beim biophilen Ansatz in der Inneneinrichtung gehen wir von drei Kategorien oder Regeln aus, die uns dabei helfen die positive Wirkung vom biohilic Design umzusetzen. Wichtig noch! Bei jeder Entscheidung und jeder Einrichtung sollte immer auch der nachhaltige Aspekt berücksichtigt werden. Wir möchten nicht nur von der Natur profitieren, sondern die Natur soll auch von uns und unserem Lebensstil profitieren.
Hierbei geht es um die tatsächlichen Elemente aus der Natur im Raum. Holz, Pflanzen, natürliche Lichtquellen, verändernde Luftströme, Düfte, Vorhandensein von Wasser, fühlbare Materialien,…
Mein extra Tipp: Fange mit kleinen Schritten an. Hast du kein Händchen für Pflanzen? Kaufe dir ein paar schöne Schnittblumen. Nutze Duftlampen mit Blumendüften. Versuche so viele natürlichen Materialien wie mögliche in deinen Räumen zu verwenden. Öffne so oft wie Möglich deine Fenster, um die Luft und den Wind zu spüren.
Unsere Natur hat unglaublich viele Muster, Strukturen und Oberflächen in ihrem Repertoire, woraus Designer maßlos schöpfen können. Biomorphe Formen und Muster, Materialien, die ihren Herkunftsort noch sichtbar machen. Tapeten, Wandverkleidungen, Stoffe, Bodenbeläge, Möbelmaterialien,… Wir können die Natur mit vielen einfachen Mitteln imitieren.
Mein extra Tipp: Mach hier ruhig erstmal etwas slow und überlege dir gut, ob das Design zum Rest passt. Imitate können schnell billig und sehr künstlich wirken. Dies kann den gewünschten Effekt von einer Naturanalogie verderben. Achte auch hier lieber auf natürliche Materialien, die natürliche Strukturen immitieren.
Hier möchten wir die Emotionen, die wir in der Natur erleben, konstruieren. Die Aussicht, wie auf einem Berg und immer unsere Umgebung im Blick zu behalten. Der Rückzug, den wir in einem Versteck im Gebüsch verspüren, ohne dabei die Übersicht auf die nahe Umgebung zu verlieren. Das Geheimnis, das mystische, was wir empfinden, wenn wir die verborgenen Aussichten oder unerforschte Pfade entdecken. Oder das Risiko, dass wir empfinden, wenn wir an einem großen Felsvorsprung stehen. Wenn wir über das tiefe Tal auf die andere Seite blicken.
All diese Emotionen, können wir auch mit Hilfe einer natürlichen Konstruktion in unserer Einrichtung clever erwecken.
Mein extra Tipp: Überlege dir, wie du diese vier Charaktere eines Raumes umsetzen kannst. Bzw. welchen der vier du besonders magst. Kannst du dir einen Rückzug in Form von einer Zwischenetage oder einer versteckten Leseecke schaffen? Oder nutze geschickt deinen Ausblick im Ober-/Dachgeschoss, wo du weit über deine Nachbarschaft blicken kannst. Vielleicht kannst du auch deinem Raum etwas geheimnisvolles verschaffen, indem du die Laufwege etwas versteckt anlegst. Denke da ein bisschen an ein Labyrinth. Dies ist schon etwas kniffliger und ist nicht mal eben schnell umgesetzt.
Ich finde diesen Einrichtungsansatz super spannend, kann aber doch jetzt nicht all meine Möbel wegschmeißen. Geht das auch mit bestehendem Möbilar?
⇢ Ja auf jeden Fall! Du kannst deine bestehende Einrichtung problemlos nach den Richtlinien im biophilen Design anpassen. Fange mit dem 1. Punkt der Natur im Raum an. Gucke, dass deine Lichtverhältnisse gut genutzt werden, vermeide zu kaltes Licht. Schau, ob du einige Dekorationen loswerden und durch biophile ersetzen kannst. Mach slow und lass es wachsen. Vielleicht kannst du einen Zimmerbrunnen installieren oder ein Moosbild.
Und was ist, wenn bei mir alle Pflanzen in kürzester Zeit eingehen?
⇢ Keine Sorge! Du kannst auch problemlos Trockenblumen verwenden. Oder du versuchst es mal mit Vertikalbepflanzung mit automatischer Bewässerung. Diese gibt es übrigens auch für Zimmerpflanzen. ;•) Auch ist es nicht zwingend nötig, deinen Raum mit Pflanzen voll zu stellen. Es gibt noch genügend andere Materialien, wie Wolle, Holz, Trockenblumen oder Gräser,…
Ich mag aber gar kein grün. Was nun?
⇢ Unsere Welt besteht ja nicht nur aus grün, auch unsere Natur nicht. Denk dabei an den Strand oder das Meer. Auch kannst du die Stimmung eines Sonnenaufganges in deinem Interieur einfangen. Ein paar Pflanzen würden dem Raumklima aber trotzdem gut tun. ;•)
Wie fange ich am besten an meinen Raum neu zu gestalten?
⇢ Meine Standardantwort darauf lautet: Mach es slow. Jede Lebenssituation erfordert andere Herangehensweisen. Schau dich in deiner Umgebung um. Was stört dich oder wovon kannst du dich umöglich trennen? Überlege dir, an welchem Ort in der Natur du am liebsten bist. Was beruhigt oder aktiviert dich? Lass deinen Raum auf dich wirken. Überlege dir zu allererst, welchen Zweck dein Raum erfüllen soll. Ich habe dazu auch schon einen Artikel geschrieben, wie du deinen Raum harmonisch einrichten kannst. Darin findest du einzelne Steps, die du nach und nach abarbeiten kannst. Brauchst du mehr Hilfe? Dann schreib mir gerne eine E-Mail.
Ich mag es sehr bunt, wie kann ich das mit dem biophilen Design kombinieren?
⇢ Bei der natürlichen Innenrauchgestaltung sind wir nicht an Farben gebunden. Unsere Natur hat so krass viele Farben, das fällt uns oft gar nicht auf. Denk mal an eine wunderschöne Blumenwiese im Sommer oder einen Papagei. Unsere Natur ist bunt und wenn du es Zuhause oder am Arbeitsplatz auch so bunt magst ist doch alles super. Du kannst deinen Raum dennoch biophil einrichten, mit organischen Formen, natürlichen Materialien, Düften und natürlichen Lichtquellen. Denk dabei an die 3 „Einrichtungsregeln“, die ich etwas weiter oben beschrieben habe.
Du hast jetzt schon einen guten Einblick von mir bekommen, was biophiles Design eigentlich ist, worauf du dabei achten solltest und was es mit uns macht. Gerne gebe ich dir zum Abschluss diesen Artikels noch meine 5 besten Speed-Tipps für eine schnelle Umsetzung mit.
1. Ausmisten Dieser Punkt wirst du immer in meinen Top3 sehen. ;•) Mach dich frei, löse dich von altem Ballast. Räume auf, sortiere alles aus, was dich stört. Was nicht zu deiner neuen Einrichtung passt. Gib deinem Raum Luft, sich neu zu entfalten. Vielleicht stören dich manche Sachen auch nur in diesem Raum und du kannst dafür einen neuen, geeigneteren Ort finden.
2. Pflanzen Die schnellste Umsetzung ist der Weg zum Gärtner oder Blumenladen. Ein Vase mit schönen Schnittblumen, ein paar schöne pflegeleichte Grünpflanzen für das Raumklima. Das macht deinen Raum schon viel natürlicher. Auch mit Pflanzen, kannst du schon Düfte in deine Umgebung zaubern. Hyazinthen zum Beispiel oder Lilien.
3. Visuelle Stimulierung Schau dir deine Wände an und überlege dir, wo du Platz für eine wallART oder einem schönen floralen Bild hast. Schon das Angucken von natürlichen Bildern, bringt uns in eine positive Stimmung. Unser Gehirn ist sehr gut in der Lage durch ein Bild die gleichen Emotionen zu erwecken, wie wir sie in der Realität schon erlebt oder zumindest vorgestellt haben.
4. Natürliche Materialien Tausche ein paar Textilien oder Kleinmöbel aus. Achte dabei auf natürliche Materialien und Strukturen. Denke hier an Kissenhüllen, Teppiche, Tagesdecken, Tischdecken oder Gardinen. Wähle Materialien wie Wolle, Seide, Leinen oder Baumwolle.
5. Thema festlegen Entscheide dich für genau ein Thema pro Raum, sonst wird es zu unruhig. Dieses kann zum Beispiel der Wald, das Meer, der Strand oder die Wüste sein. Suche dir dazu ein schönes stimmiges Bild im Internet und orientiere all deine Einrichtungsentscheidungen an diesem Bild.